„Wenn wir im Frieden beieinander wohnten.“ (Eg 221,2)

Liebe Gemeinde!

Ich habe mir ein Buch über die Pest im Mittelalter gekauft. Immer wieder wird ja gesagt, Corona sei die Pest unserer Zeit. Das ist zum Glück nicht annähernd der Fall. Bei der größten Verbreitung im Jahr 1348 verstarb in kurzer Zeit ein Drittel der Bevölkerung Europas qualvoll, mit extremen unbehandelten Schmerzen und unter schrecklichen Bedingungen, oft innerhalb kürzester Zeit. Familien standen morgens auf und waren abends tot.  In den Städten lagen Tausende von Toten auf den Straßen. Die Ratlosigkeit im Umgang und bei der Behandlung war ungleich größer. Alle erdenklichen Kräuter und Gewürze wurden eingesetzt, man empfahl, alle Speisen in Wein zu tauchen, Anstrengungen zu vermeiden und tagsüber nicht zu schlafen. Boccaccio hielt Lachen für gesund, andere warnten vor dem Südwind. Mit den berühmten Pestmasken hielt man nicht die Tröpfcheninfektion auf Abstand, sondern atmete wahlweise Lorbeer und Wacholder, Pinien-, Lärchen oder Tannenrinde ein. Immerhin waren alle schon dem Händewaschen auf der Spur, allerdings gab es nur Rosenwasser. Baden wiederum galt als gefährlich. Im Blick auf solches Durcheinander kommt mir eine gewisse Uneinigkeit unserer Virologen doch harmlos vor.

Besonders auffallend waren die sozialen Reaktionen, die von Forschern mit dem Verhalten in Bürgerkriegen verglichen werden. Die Angst war so groß, dass Familien sich entzweiten und Eltern ihre Kinder im Stich ließen. Das Verhältnis verrohte, denn wer seine Angst überwand und seine Eltern pflegte, verstarb ebenfalls mit einiger Sicherheit. So gab es nur die Wahl zwischen Erbarmungslosigkeit und Tod. Das Buch schließt mit der Frage: Wie wird eine moderne Gesellschaft damit fertig werden, wenn ähnliche Seuchen wiederkehren?

Zum Glück ist das nicht geschehen, wir können die Frage aber im Kopf behalten. Eine interessante Information nehme ich mit: Die Pest ist lange vor der Erfindung von Antibiotika und Hygiene praktisch von selbst wieder verschwunden. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte ist: Es dauerte an die fünfhundert Jahre. Nur die große Pest des 5. Jahrhunderts ging schneller weg, nach zweihundert Jahren. Dann allerdings hörte man bis ins 14. Jahrhundert kaum von ihr. Wenn ich es richtig verstehe, weiß bis heute niemand, warum das so war.

Da denke ich wieder an das Video, von dem ich in einer anderen Andacht erzählt habe: Als Covid die Menschen zum Nachdenken gebracht hat, zieht es sich wieder von der Erde zurück. Na ja.

Nun haben wir alle darüber nachgedacht, was im Leben wichtig ist. Man streitet sich, kaum dass die größte Angst vorbei ist, über das Ausmaß und die Berechtigung der Maßnahmen. Welche autoritären Kräfte schlummern in der Gesellschaft, in der Politik? So abwegig ist die Frage gar nicht, auch wenn man kein Verschwörungstheoretiker sein möchte. Und wieder haben sich die beiden bekannten Lager gebildet, wie bei allen anderen Krisen. Seltsam, dass es immer zwei sind, es könnten doch auch vier oder fünf sein. Der Mensch neigt zur Übersichtlichkeit.

Mir hat die Isolation meine Frühjahrsinfektion erspart. Ich fände es nicht schlecht, wenn alle Menschen mit Husten auch künftig zu Hause blieben, um sich und andere zu schonen. Denn auch wenn es nicht zwei- bis fünfhundert Jahre dauern wird, bis ein Impfstoff wirkt: Es ist nicht vorbei. Ein britischer Wissenschaftler gab kürzlich den guten Rat, sich nicht eine Zeit „nach“ Corona vorzustellen, sondern eine Zeit „mit“. Denn eine gewisse Kunst müssen wir jetzt entwickeln, um „mit“ Corona zu leben. Der Brite meint z.B., das Husten in Gesellschaft müsse so verpönt sein, wie, nun ja, Blähungen.

Zum Leben mit Corona haben die Griechen eine kluge Maxime entwickelt, die in den Medien unaufhörlich mitgeteilt wird: Stell dir vor, du bist infiziert, und verhalte dich entsprechend. Ein gutes mentales Training, könnte man sagen.

Bestimmt würde es helfen, wenn wir die künftigen Umgangsformen nicht nur aus technischer Sicht beschrieben, sondern auch christlich verstünden. Dazu sind mir ein Liedtext und ein Bibelvers eingefallen:

Das Lied wird normalerweise zum Abendmahl gesungen, dass wir wohl noch lange nicht feiern werden: „Wenn wir in Frieden beieinander wohnten, Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten, dann würden wir den letzten heiligen Willen des Herrn erfüllen.“ (eg 221,2)

Als Bibelvers verdient 1.Korinther 6, 12 eine Beachtung: „Alles ist mir erlaubt, aber es dient nicht alles zum Guten.“ Paulus liefert hier einen Beitrag zum Übergang von der Fremd- zur Selbststeuerung, die wir jetzt alle vollziehen müssen. Was dient dem Guten? Kann ich mich zu dieser Überlegung selbst verpflichten?

Nun weiß niemand, ob und wann Covid uns verlässt, aber ich verlasse jetzt Covid, denn ich möchte wieder über etwas anderes nachdenken. Letzte Woche konnte ich überhaupt keine Andacht schreiben, weil ich an einem Schutzkonzept für die Kirchen und vielen anderen Corona-Problemen arbeiten musste. Am 24.5. gibt es einen Gottesdienst per Zoom zu einem schönen Jeremia-Text. Die Predigt kommt dann an diese Stelle der Website.

Die Formel der Corona-Zeit wurde kürzlich in einer Mail etwas weiterentwickelt. Da hieß es jetzt: Bleiben Sie gesund und gelassen.

GG. Herzliche Grüße, Ihr Pfarrer Joachim Deserno

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