Predigt 5.4.20. (E. Reh)
Liebe Gemeinde, der vorgegebene Predigttext steht in Markus 14,3-9:
3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.
4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.
9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.
Eine ungewöhnliche Handlung, für uns heute nahezu nicht zu verstehen.
1. Einleitung
1.1. Begriffsklärung
- Bethanien: kleiner Ort, etwa 3 km von Jerusalem entfernt, bedeutet Haus der Feigen,
- Simon, der Gastgeber, hatte Lepra, war wieder gesund geworden, vermutlich durch Jesus,
- Gesellschaft speist, wie üblich auf Polstern liegend (reine Männerrunde),
- Alabaster: weicheres Mineral für Vasen, Gefäße, hier Parfüm-Flakon,
- Narde: ind. Baldriangewächs, Nardenöl: Wurzelextrakt, Parfüm-Grundstoff, kostbarstes Öl
Zweck: Salbung a) Inthronisierung eines Königs, b) des Bräutigams, c) eines Verstorbenen.
Allgemein: Haarsalbung wohlhabender Männer in Rom
1.2. Hintergrund
Rahmen: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem
Bibeltext davor: 2 Tage bis Passah, Schriftgelehrten wollen Jesus ergreifen, töten
Bibeltext danach: letztes Abendmahl, Verrat des Judas
Das ist keine kleine Anekdote am Rand, analog bei 2 weiteren Evangelisten:
Lk 7,36-38 (Fußsalbung Frau bei Pharisäer), Jh 12,1-8 (Fußsalbung Maria bei Lazarus)
2. Zielsetzung der Frau
Teil 1 <lesen V. 3>
Hohe Popularität Jesu im Kreis der Anhänger, Bevölkerung (Predigten vor vielen Tausenden),
- durch viele bedeutende Reden (Bergpredigt, Predigt am See Genezareth ...),
- durch viele bewegende Wunder (Heilung Blinde, Aussätzige, Auferweckung Lazarus ...).
Die Frau möchte ihre große Verehrung für Jesus ausdrücken, schätzt Jesus als
- Prediger (revolutionäre Gedanken: liebe deine Feinde, selig sind die geistlich arm sind, ...),
- Wunderheiler (z.B. Heilung des aussätzigen Simon),
- Mensch (vertreibt die Tempel-Händler, weint über den Tod des Lazarus, ...)
Sie ist vermutlich jung, unverheiratet.
Nardenöl evtl. für die eigene Hochzeit über viele Jahre angespart,
sie ist von Jesus begeistert und handelt emotional (keine Aussteuer mehr für sich).
Nach Paul Tillich (Theologe): „Heilige Verschwendung",
nach Albrecht Goes (Theologe): „der Herzenssparsamkeit den Abschied gegeben“.
Starker, betörender Duft erfüllt den Raum regt alle Sinne an,
wie jetzt im Frühling, mit neuer Blütenpracht und intensivem Duft des Flieders.
Eine Wohltat für Haut und Sinne, die sich Jesus kommentarlos gefallen lässt.
Jesus kann sich die Reaktionen genau ausmalen, die nun folgen.
3. Reaktion der Männer
Teil 2 <lesen V. 4-5>
Die Männer sind empört über den Vorfall.
Äußerst aufdringliches Verhalten, peinlicher Auftritt einer Frau:
- in Herrenrunde waren Frauen generell nicht erlaubt (nur zur Bedienung)
- unpassende Ehrerbietung durch fremde, unverheiratete Frau.
Kritisieren nicht den Auftritt, verstecken ihre Ablehnung hinter finanziellen, sozialen Aspekten,
zeigen sich reserviert, rational und sozial engagiert, 300 Silbergroschen = Jahreslohn.
Theoretisch ist die Argumentation absolut korrekt (hätte ich vermutlich auch so gesagt),
soziale Maßnahmen sind sehr wichtig (keine Sozialhilfe, Rente, Krankenversicherung).
Ihre Vorstellung entspricht auch der Forderung Jesu nach Nächstenliebe:
<lesen Mk 10,21b> Verkauf aller Güter, Spende an die Armen, Nachfolge.
Faktisch haben die Männer recht.
4. Reaktion Jesu
Teil 3 <lesen V. 6-9>
Jesus greift den Vorfall auf, er will 3 Dinge deutlich machen
a) Anerkennung für die Frau
er muss die Frau aus der verletzenden Kritik herausnehmen (sie steht beschämt in der Ecke),
lobt daher ihre Handlungsweise.
b) Provokation für die Männer
er will die unpersönliche, verletzende Kritik tadeln,
die rationale Argumentation relativieren, dies nicht in allen Fällen zum Maßstab machen.
c) Ausblick auf seine persönliche Zukunft
will auf die nächsten Ereignisse hinweisen (Verhaftung, Kreuzigung, Auferstehung),
will seine Jünger noch einmal vorbereiten (dass nicht alle weglaufen und ihn verleugnen).
Entschuldigung für die Frau ist nicht,
- das er Rabbi ist, für den das durchaus passend wäre,
- das etwas Verschwendung / Luxus in speziellen Fällen akzeptabel ist.
Begründung ist,
- dass er bald gestorben, gekreuzigt sein wird,
- das dies im Hinblick auf seine Beerdigung zu sehen ist.
Maria / Magdalena vor dem Grab Jesu <lesen Mk 16,1-3>
Jesus = Christus/Messias: Messias hebräisch, Christus griechisch d.h. der Gesalbte.
5. Schlussfolgerung
5.1. Wertschätzung für Jesus heutzutage
Zeitgenössische Schwestern der Frau in Bethanien:
- Cicely Saunders, die Begründerin der Hospizbewegung, mit ihrem großen Thema:
„Wir können den Sterbenden nicht Tage in ihr Leben geben, aber Leben in ihre Tage".
- Maria Montessori, das Kind war ihre Passion. „Du hast ja lauter Sonnenstrahlen im Gesicht",
meinte einmal ein Kind, indem es auf ihre Falten um die Augen deutete.
- Mutter Theresa, der Engel von Kalkutta, die Friedensnobelpreis-Trägerin,
die ihr Leben, Handeln ganz den Ärmsten verschieben hat.
Was tun wir für Jesus heute, was investieren wir für ihn heute?
Zentrale Botschaft Jesu ist Liebe, Mt 19,19 „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“.
Stellvertretend können wir viel tun Mt 25,40: „Was ihr getan habt einem unter meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“.
Mit Sicherheit nicht, dass wir Flüchtlinge in Lesbos mit Tränengas / Wasserwerfer empfangen.
5.2. Botschaft Jesus für uns heute
Jesus will uns 2 Dinge deutlich machen
a) Liebe ist nicht hintergründig, Liebe ist verschwenderisch, Gutes tun ohne Berechnung.
b) Gottes Liebe ist unermesslich groß, dies zeigt er durch Tod am Kreuz für unsere Sünden.
Sie ist nicht berechnend, er hat nicht gefragt, ob wir ein solches Opfer wert sind.
Daran denken wir, wenn wir in den nächsten Tagen über Karfreitag zu Ostern gehen.
Amen.